Spieglein, Spieglein

Es passiert so viel und doch weiß ich grad nicht, wie ich Euch auf dem Laufenden halten kann. Das Erlebte und Gefühlte ist nicht so leicht in klare Erzähl-Päckchen zu packen. Aber ich will es versuchen, denn irgendwie hat es verdammt viel mit dem Sich-selbst-entwickeln zu tun und das hat ja wiederum ganz arg viel mit Gemeinschaftsbildung was am Hut.
Ich glaube ja nur an eine gelingende Gemeinschaft, wenn alle darin sich aufhaltenden Persönlichkeiten lernen, bei Reibungen, Problemen und Hindernissen sich an ihre eigene Nase zu fassen und nicht gleich mit Du-bist-oder-Du-hast-Sätzen rumfuchteln.

Toll, und jetzt stecke ich selbst in einer Situation in der ich zeigen könnte, wie das gelebt aussehen kann. “Nun lass mal schön nach dem vielen Darüber-Reden auch goldene Taten folgen, Agapi! Leb jetzt mal nach deinem selbst auferlegten Motto. Du selber sagst dick-lipprig, Handeln ist Gold und willst jetzt kneifen? Nee, so einfach kommst du mir nicht davon!” das Übergroße-Ganze will mich herausfordern.

Mir ist, von wem auch immer, eine Person in den Weg gestellt worden, an der ich mich so richtig schön reiben darf. Im ersten Moment wollte ich die Abkürzung nehmen. Ich muss ja nicht mit jedem Menschen klar kommen, dachte ich, doch lustiger Weise macht das Schicksal das ja so schön geschickt verzwickt, dass ich grade bei Lern-Menschen hängen bleibe, um mich mit ihnen auseinander setzen zu müssen. Wieder einmal schafft es eine herausragende Persönlichkeit meine innere Frisur zu verwüsten und lässt mich ausschauen, als hätte ich in eine Steckdose gefasst.

Ich ertappe mich gerade dabei, wie ich Gemeinschaftsbildung doch doof finde. Das ist anstrengend!

Leider kann ich mich nicht mehr verarschen, dafür mach ich zu lange Therapie. Menschen, die mich wahnsinnig machen, tragen eine wichtige Information für mich bereit, die es für mich zu erforschen gilt. Das weiß ich. Meine Therapeutin fragt in solchen Momenten dann immer kristall-klar “Was glaubst du, spiegelt es dir?” Die Frage mag ich nicht. Sie ist der Schlüssel zum nackig-machen, Sich-bloß-stellen und sich-von-seiner-Schatten-Seite zeigen. Gruselig. Die Frage ist so ungeschminkt, so Finger-in-die-Wunde und so Arrrr-du-kommst-hier-nicht-ohne-Aua-raus.

Eine ganze Woche gehe ich jetzt schon mit der Frage schwanger und immer noch eiere ich um die Lösung herum. Das gemeine am gespiegelt werden ist ja auch, dass es nicht Sonnen-klar auf der Hand liegt, worum es bei einer fiesen Provokations-Spiegelung geht. Besser gesagt, man will das nicht sehen. Das was ich da sehen werde nervt mich und gefällt mir nicht. Wieso sollte ich das dann auch noch in mir aufsuchen, aufheben und mich damit beschäftigen?

Das macht es bestimmt auch in unserer Mensch-Welt so unattraktiv Sich-selbst-weiter-zu-entwickeln. Die Lösung in der Verhaltens-Änderung des Gegenübers zu finden, ist viel schöner. Das geht auch viel fixer.

Natürlich kenne ich mich schon etwas, ich gönne mir seit sieben Jahren eine Therapeutin, damit ich weiter komme. Die Lösung liegt also auf der Zunge und ich kaue nur schon eine Woche drauf rum. Die Lösungs-Masse wird immer bitterer im Geschmack. Irgendwas in mir drückt sich vor dem Auf-den-Punkt-kommen. Na ja, die Lösung tut weh. Das Spiegelbild erkennen ist ähnlich schmerzhaft, wie das fühlen beim Aufschreiben-meines-Lebens.

Das fiese ist auch, dass immer wenn ich es endlich in Worte fassen möchte, um es klar zu bekommen und adacta legen zu können, es herum-flirrt und will, das ich hinter ihm herlaufe und es fange. Hallo, da bin ich schon völlig demütig, offen für Erkenntnisse und mega gefühlig und muss noch Fangen spielen. Das ist gar nicht lustig.

Doch ich bin an dem Punkt angekommen, wo ich darum weiß und dann hab ich gar keine Schnitte mehr, daran vorbei zu gehen. Da stehen dann die Geister-die-ich-rief um mich herum und ein Auf-unwissend-tun und Sich-auf-doof-zurücklehnen ist da nicht mehr drin. Das Wissen-drum rückgängig zu machen ist unmöglich. Das ist toll und nervt. Es ist wie Hausaufgaben aufbekommen. Doch das Sich-gespiegelt-bekommen ist bestimmt dafür da, um uns im Menschens-Kind-Spiel immer wieder einen Level weiter zu bringen.

Hier fällt mir ein, dass es vielleicht auch gut wäre, euch zu sagen, wie ich mit der Martin-Wut umgegangen bin. Ich traf ihn erst Gestern, solange hatte ich Zeit mit mir darüber zu verhandeln, wie ich damit umgehen will. Und dann kam es doch ganz anders. Ich hatte gerade Besuch und da klopfte er an der Küchen-Terrassen-Tür. Martin hatte den Lageplan für mich in der Hand, den ich mir fürs besseren planen gewünscht hatte. Nach dem Danke und einem kleinen Plausch hab ich dann keck-verhalten nachgefragt. Ich hatte nicht den Arsch in der Hose zu sagen, dass ich mir das nächste Mal wünschen würde, dass er uns wenigstens vorwarnt, wenn Käufer kommen. Statt dessen hab ich meine Wut in Lustigkeit gepackt und so etwas wie “Du sagst uns aber schon bescheid, wenn uns das Dorf unterm Hintern weggekauft wird, oder?!”

Zum Glück verdoppelte sich meine Unsicherheit durch sein norddeutsches “Jou!”, dass ich ernsthafter werden musste.

“Sind sie denn interessiert? Muss ich mir Sorgen machen?” fragte ich ehrlich und machte mich arg verletzlich.

“Es hatten schon so viele Interesse und haben dann nie wieder was von sich hören lassen.” Beruhigt haben mich seine Worte nun nicht sonderlich, aber ich hatte mir einen Hauch Luft gemacht und er fühlte sich ehrlich an. Leider war ich nicht in der Qualität gewesen, die ich mir vorher überlegt hatte, aber nun denn. Ich bin noch im Wachstum, da zählt der Wille.

Ja, und ich will wachsen und mich an meinem Spiegelbild reiben, wie ein Bär seinen Rücken am Baumstamm schubbert. Ich will mich der zarten Agapi stellen, die ich beim Auf-schreiben-meines-Lebens und in meiner Therapie wieder gefunden habe. Der zarte, fühlende Teil in mir hätte mich in meiner Kindheit zerbrechen lassen können, wenn ich mir da nicht einen inneren taffen Freund angeschafft hätte. Dieser starke, todesmutige und unkaputtbare Freund war meine Rettung. Aber er hat auch den zarten Teil verurteilt und in eine Ecke gestellt aus der ich ihn mit 35 erst mühsam wieder bergen musste. Das war sehr viel Arbeit und arg schmerzhaft.

Ich habe das Abschieben-des-zarten-Teils-in-mir ja nicht ohne Grund getan. Es gab zu viel zum fühlen, zum Sich-auseinander-setzen-müssen und zum verarbeiten, das es eine weise Entscheidung war, einen weiteren sehr gegensätzlichen Teil in mir zu schaffen. Doch mein taffer innerer Freund hat mich irgendwann komplett übernommen und mich regiert. Er hat es geschafft, dass ich die zarte Agapi irgendwann auch gehasst habe. Immer wenn sie auftauchte habe ich ihr schlimme Dinge an den Kopf geworfen und ihr befohlen sich gefälligst zu verstecken.

Dabei ist sie der bezaubernde Kern in mir. Aber das weiß ich erst jetzt.

Das verzwickte ist, dass ich mit ihr alleine im Gepäck nicht überlebt hätte, also muss ich heute auch dem taffen inneren Freund dankbar sein. Das ist schitzophren und fiel mir sehr schwer. Dank mal deinem inneren Täter, dass es dich vor einem noch schlimmeren Täter beschützt hat. Aber ich schliddere davon, ich wollte der Basis meiner Gefühle auf den Grund gehen, um jetzt den Bogen zum Spieglein zu kriegen.

Also, wenn ich auf einen Menschen treffe, der die zarte Seite offen und sehr einseitig kultiviert nach außen trägt, dann verletzt es mich doppelt. Ich denke zum einen “Wie kann er bloß mit der mir so vertrauten Verletzlichkeit so rumaasen und spielen, das ist doch was ganz wertvolles und intimes? Ich muss ihn schützen!” und zum Anderen tickert der Mensch bei mir den alten inneren Freund an, der dieser Person am liebsten gleich zeigen wollen würde, wo der Hammer hängt. Es schührt meine taffe Seite, die Bedürftigkeit des Anderen reitzt mich dann so sehr, das ich meine zarte auch gleich wieder wegpacke, um das ganze miteinander auszugleichen oder so.

Und ich dachte, ich hätte mit meiner taffen Seite Frieden geschlossen. Nix da, der Spiegel zeigt mir brühwarm, dass ich mich noch volle Lotte  in der Schlacht befinde.

Also ran an das entwickeln! Wäre ja doof, wenn mir dass bei der Gemeinschaftsbildung einen Strich durch die Sehnsucht-nach-dem-respektvollen-Miteinander macht.

Ich danke mir, für diesen Erkenntnis-Schritt.

6 Gedanken zu „Spieglein, Spieglein“

  1. Danke, Hanna! Heute nach einer Nacht drüber schlafen, habe ich sogar bemerkt, dass ich auch jener Person dankbar bin.Sie hat mir diesen Schub verpasst, der mich so schön zum denken gebracht hat.

  2. Liebe Agapi, ich weiß gar nicht was ich wie schreiben soll: Du hast mich mit diesem ersten Artikel, den ich jetzt gelesen habe, sehr berührt und zugleich mich doll zum Lachen gebracht. Da ist ganz viel Gemeinsamkeit. Therapie, Spiegelbild, taffes Außen und weicher Kern…
    Bin ich froh, Dich Gestern kennengelernt zu haben. Und ich kann es kaum abwarten, am 15.2. das Dorf kennenzulernen. Ich weiß sehr wohl, wie hart das alles ist, denn wir haben ja schon einen Resthof. Aber eben keine Zukunftsmelodie zu diesem. Deine Melodie kling wundervoll und ich freue mich gleich den nächsten Artikel zu lesen und den nächsten und nächsten. Ich werde wohl heute viereckige Augen haben…aber das ist schön 🙂
    Alles Liebe vom Sofa
    Sabine

  3. Ach das freut mich. Danke, Sabine für deine herzlichen, offenen Worte und schön, dass Du auch lachen konntest bei all der schürfenden Tiefe. Gut, das wir gestern noch kurz vor Tores-Schluss zum Punkt gekommen sind.
    Dann wünsch ich Dir jetzt weiterhin viel Freude beim lesen.

    Alles feine zum Sofa und bis zum 15. Februar hier life im Dorf!
    Agapi

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