Leidenschaft

Eine Woche ist vergangen in der ich mich nur treiben lassen durfte. Einmal bin ich auch wieder, nach dem ich mich etwas vom Turbo-Wochenende erholt habe, meinen Lieblings-Wanderweg gewandert. Die Tage kamen und vergingen. Nur einen Termin hatten wir vorgestern mit dem Amts-Mann an dem neuen Ort, wo wir ab Dezember wohnen werden. Er hat sich die wunderschöne alte Gutsküche angeschaut und uns gesagt, was wir alles an ihr verändern müssten, damit es eine Profi-Küche werden darf.
Das letzte Wochenende war ganz schön anstrengend, ich musste erst mal verschnaufen. Wir haben in 2x sehr langen Schichten die erste GUTDING-Produktion gestemmt, die für die echten Bioläden bestimmt ist. Es war so aufregend. Viele Kleinigkeiten haben sich noch vor dem Überhaupt-Loslegen-Können in unseren Weg gestellt. Sie haben ihre Zähne gefletscht und gruselige Geräusche von sich gegeben. So war es bis zum Schluss zum Beispiel nicht klar, ob wir überhaupt die Weck-Gläser-Paletten-Lieferung bekommen. “Ich nehme was kommt und bin toll im improvisieren!” habe ich mir im stillen immer wieder gesagt. Rado wurde immer stiller.

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Sie wurden geliefert. Wir hatten echt Schwein. Insgesamt war es ein wirklich noch intensives, arbeitsreiches und fließbandmäßigeres Wochenende, als die vorherigen Wochenenden und ich habe so viel nebenher Sinnen dürfen. Das bietet sich an, beim von Hand-Abfüllen und etikettieren von knapp 1.000 kleinen Gläschen.

Manches Mal kam es mir vor, als wenn ich abtauche im 110g-okay-113g-das-geht-noch,-das-macht-keine-Probleme-beim-vakuumisieren,-117g-autsch,-zuviel,-da-muss-wieder-was-raus,-111g-supi,-ich-werd-immer-besser.

Ich wurde aber nicht besser. Bin nun mal ein Mensch und keine Abfüllanlage. Was ja auch gut so ist.

Mein größter Weltlicher-Wunsch ist nun aber doch eine Abfüllanlage geworden. Wurstel ist wirklich ein ganz feiner Kerl, aber bei diesen Größenordnungen kommen wir zusammen einfach nicht lokrativ voran.

Rado hat aber auch schon eine gefunden, die noch erschwinglich ist und normalerweise von Imker verwendet wird. Wir werden sie hoffentlich bald schon ausprobieren dürfen, um zu schauen, ob sie für unsere GUTDING-Aufstriche auch funktionieren. Das wäre eine immense Erleichterung.

An einem Punkt – mir taten schon mein Rücken und meine Beine vom vielen Stehen ganz doll weh und es half auch nichts mehr, kleine Salza-Schrittchen ins Abfüll-Stehen zu integrieren. Dafür war es leider schon zu spät, da hätte ich 13 Stunden früher drauf kommen müssen. An jenem Punkt angekommen, kam ein fieser Gedanken-Mops bei mir vorbeigeschlichen.

“Wieso machst Du das hier eigentlich, Agapi? Ist das wirklich Deine Leidenschaft? Du isst gerne, das weiß ich, aber in der Küche hast Du Dich freiwillig noch nie blicken lassen. Tu’ hier mal nicht so auf Leidenschaft!”
… 129g,-ach-menno,-voll-daneben …
“Hallo, ich rede mit Dir!” Fiese Gedanken-Möpse können echt nerven.
… “Ja?” 117g,-immer-noch-zu-viel …
“Ich hab Dich nach Deiner Leidenschaft gefragt!”

Und dann ging es zur Sache. Ich weiß natürlich im entspannten Zustand sehr wohl, das es gar nicht gut ist, sich in müden und überfordernden Situationen überhaupt mit hadernden Gedanken zu unterhalten, nur bin ich in solchen Momenten auch immer so überfordert, dass ich es dann doch fast immer vergesse.

“Die GUTDING-Aufstriche sind eindeutig Rados Leidenschaft, ja! Daraus mache ich auch kein Geheimnis, meine sind die GUTDING-Upcycling-Unikate und die GUTDING-Kunst. Ich liebe die GUTDING-Aufstriche und stehe voll und ganz hinter den Leckereien! Meine Sachen kommen später dran. Alles zu seiner Zeit. Beides auf einmal schaffen Rado und ich nicht gleichermaßen achtsam voran zu bringen. Das ist auch okay für mich. Jetzt begleite ich Rado bei seiner Leidenschaft und gebe ihm die vollste Rückendeckung, die er für seine Leidenschaft braucht. Dazu kommt, dass wir mit GUTDING etwas vorhaben. Es kann die wirtschaftliche Basis vom Dorf werden und sie besteht nun einmal erst aus den drei Bereichen. Und auf den einen Bereich konzentrieren wir uns jetzt gemeinsam. Rado und ich sind eine Kleinst-Gemeinschaft die die Sehnsucht hat, zu einem Dorf zu wachsen und da möchte ich zu ihm halten ihn unterstützen. Irgendwann kommt der Moment schon, an dem ich loslassen darf, um mich meinen Leidenschaften zu widmen. Da habe ich ein ganz tiefes Vertrauen.”
“Du fügst Dich?!”
“Ich parke meine Leidenschaft nur kurz!”
“Du betupfst Dich!”
“Du kannst es Dir nicht vorstellen, ist es das? Hast Du Angst?”
“Erklär’s mir!”
“Bisher war ich immer alleine unterwegs. Als Single konnte ich immer und sofort das machen, wozu ich Lust und Leidenschaft verspürte. Es musste sich noch nicht mal rechnen. Ich entschied, wann ich was machen wollte und wie. Nie musste ich mein Tun mit einem anderen absprechen oder in Frage stellen. Das war schön, aber das habe ich jetzt echt lange genug gemacht. Jetzt übe ich was anderes. Ich wünsche mir Gemeinschaft und da möchte ich helfen und lernen in den anderen vertrauen-zu-haben. Noch ist es neu für mich, ja und auch ungewohnt, aber ich will mich darauf einlassen. Ich möchte meine Beschränktheit überwinden, meinem Misstrauen und meinen Ängsten auf die Spur gehen und sie in den Arm nehmen.”
“Ha, da haben wir’s! Du traust Rado doch nicht über den Weg! Was, wenn er hinterher sagt ‘Sorry, Baby, dass ist jetzt echt doof, ich kann Dir bei Deinen Dingen jetzt gerade echt nicht helfen!’ – dumm gelaufgen?!”
“Manchmal, wenn ich wie jetzt, schon seit 13 Stunden an Wurstel stehe und die 110g von jeder Sorte schon das xte Mal mehr-oder-weniger-toll-getroffen in Gläschen abgefüllt habe, dann frage ich mich schon, ob Rado mir auch so helfen wird.”
“Siehst Du!”
“Aber ich möchte nicht misstrauisch sein! Das mit dem Mistrauen und gegenseitigen Aufrechnen habe ich anerzogen bekommen. Ich möchte das nicht mehr, ich möchte mal was anderes ausprobieren, ohne gleich als naive dahingestellt zu werden. Ich glaube, ich habe Rado so doll lieb, dass ich ihm helfen will seinen Traum zu verwirklichen. Das macht mich ja auch glücklich. Und dann, wenn alles läuft und es auch ohne mich geht, komme ich schon an die Reihe. Vielleicht schon im Frühjahr. Vielleicht auch erst im Sommer. Ich bin stark und ich lerne abzuwarten. Ich hatte ja auch schon mal meine Bühne auf der alles sich nur um mich gedreht hat.”
“Okay, wenn Du meinst …”
“Ja, ich glaube das ist Liebe.”
“mmh”
“Danke für das Gespräch, hadernder Gedanke. Das war jetzt echt gut, aber bitte hab Verständnis, ich möchte jetzt alleine weitermachen.”

 

P.S. Ja und hier, das erste Foto von unseren tollen Fans, den 6 Norderstedtern, Oliver Frank, Andrea Listing & Co. von Ihrem ersten Einkauf im Bioladen. Danke, Ihr Lieben!

(c)oliverfrank_die6norderstedter

2 Gedanken zu „Leidenschaft“

  1. lieber wolfgang,es gibt oder besser gesagt, es könnte die GUTDING-aufstriche in jedem 100%igen bioladen geben die auch bei grell bestellen können. die auflistung der läden, die die aufstriche führen, werde ich so schnell ich es schaffe auf der GUTDING-seite stellen. also immer mal wieder schauen, ich hoffe die liste wächst und wächst dann 🙂 und dann weißt du auch wo du die “falsche sau” findest!
    freu-gruß,
    agapi

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