… um zu …

In meinem Leben habe ich schon so oft etwas getan, wo mich andere völlig entsetzt gefragt haben “aber wieso machst Du denn das, da hast Du doch nichts von?”.  Ich will jetzt nicht sagen, das ich Mutter Teresas Tochter bin. Auch ich habe Dinge getan, um in der Nähe von jemandem zu sein. Werner, zum Beispiel. Werner habe ich vor etlichen Jahren geholfen sein Studio zu renovieren – Stunden, Tage – immer wieder habe ich ihm geholfen. Wieso? Ich wollte ihm nahe sein und war damals – da war ich 21 – noch zu schüchtern und konnte ihm nur über diesem Weg sagen, das ich unsterblich in ihn verliebt war.
Oder meinem Vater, der mit uns Kindern nichts zu sprechen wußte. Ich saß stundenlang bei ihm im Garten, um etwas von ihm zu erhaschen. Voller Konzentration habe ich ihn beobachtet, mir gemerkt was er wann und wieso tat, wie ein Kommissar. Und ich habe meine Schlüsse draus gezogen. Nach ein paar Tagen konnte ich genauestens Assistieren. Ich saugte alles auf. Auch die Häppchen “Dies ist eine so-und-so und sie braucht das-und-das!” Ich danke meinem Vater für die wenigen Worte. Von ihm habe ich ein Wissen über Pflanzen und das Pflegen von Pflanzen. Vielleicht habe ich auch durch das Bei-meinem-Vater-hocken-und-horchen-müssen-um-gesehen-zu-werden die Leidenschaft in meinem Herzen, Mutter-Erde nahe sein zu wollen. Wenn das so ist, dann danke ich auch für den holprigen Werdens-Weg.

Denn es hat ganz schön lange gedauert, bis ich begriffen habe, das der Um-zu-Weg ein ganz arg trauriger ist. Das Um-zu macht einsam und es machte auch, das ich mich selber nicht mehr mochte. Dann hat mich das Um-zu-Wesen sauer gemacht. Ich erkannte, dass ich mich dafür dolle verstellen muss. Das ich dann gar nicht mehr die war, die ich war und auch nicht das tat, wonach mir war. Dann ekelte ich mich selber an.

Dankbarer Weise bekam ich eine Zeit lang vom Schicksal saftige Lern-Schnittchen geschmiert. So lange, bis ich es endlich verstand, was da für eine Dynamik in mir steckt. Die Schicksals-Stullen wurden auch immer doller, wenn ich es wohlwissend wieder tat. Und meine Therapeutin – vielen dank, Angela – hat auch noch mal nachgeholfen, das ich das Dilemma nicht nur erkenne sondern mit klarem Bewusstsein aus der Struktur aussteige.

Nun bin ich Herzens-froh, seit ein paar Jahren erlöst zu sein. Heute kann ich über meinen stolperigen Um-zu-Weg lachen. Es ist mir geglückt, mich vom Um-zu-Monster zu erlösen. Vielleicht ist es mir geglückt, weil ich mich getraut habe ihm direkt ihn die dunklen Augen zu schauen und durch ihn hindurch zu mir gedrungen bin. Das tat weh, denn das Um-zu-Eckelpacket hatte direkt was mit mir zu tun.

Jetzt ist es viel wärmer als vorher.

Natürlich besuchen mich die Um-zu-Gedanken noch bei einer vermeintlichen Um-zu-Situation. Heute zum Beispiel, habe ich mir nach der GUTDING-Arbeit ein paar Stunden In-den-Gutsgarten-gehen geschenkt. Ich liebe es im Garten zu sein, mich ihm zu schenken. Umgraben, Beete-pflegen und Pflanzen zupfen und sie zu beobachten ist für mich Meditation – ich kann sie atmen. Ich liebe die Erde in meinen Händen zu fühlen. Ja, ich gebe mich und es macht mich glücklich. Ich gebe meine ganze Kraft, falle am Abend völlig erschöpft ins Bett, aber dieses Tun erfüllt mich mit Wärme.

Heute beim Grassoden in die Trecker-Schaufel werfen, kam mir ein weiser Um-zu-Gedanke. Dadurch, dass die Natur kein Mensch ist, von dem ich etwas erwarten kann, macht das geben mich glücklich. Ich darf geben ohne Bedingungen. Es hängt nichts, aber auch gar nichts mit dem Geben zusammen. Die Erde gibt mir so oder so üppigst und ohne Wertung zurück. Ob ich ihr was gebe oder nicht. Sie misst mich nicht. Sie gibt mir den gleichen Sonnenuntergang wie dem Milliardär. Die Blumen blühen für mich genauso wie für den, der Pfandflaschen aus Mülleimern sucht. Die Bäume, sie geben jedem Menschen Schatten, egal ob er fleißig ist oder faul. Die Natur richtet nicht, sie gibt. Jedem. Jedes Jahr. Freiwillig und ohne Bedingung. Den hoffnungsvollen Frühling, den maßlosen Sommer, den duftenden Herbst und den fastenden Winter. Die Natur gibt uns Regen. Sonne. Wind … ich werde täglich so reich beschenkt. Von den Äpfeln, und Birnen ganz zu schweigen.

Ich lebe im Paradies.
Ich bin ein Teil vom Paradies.

In Neverstaven beginnt der Frühling. Die Wiesen sind gespickt mit Schneeglöckchen und Krokussen, die Vögel sie zwitschern von den hohen Wipfeln und die Eichhörnchenpaare spielen fang-mich-doch. Die Umbaumaßnahmen im Souterrain lassen noch auf sich warten – aber das schert mich jetzt nicht mehr, denn es ist Frühling und ich kann in den Garten. Und der Garten in Neverstaven ist riesig.

“Wann bist Du denn mit dem Garten fertig?” hat mich Terese, unsere 6-jährige Nachbarin gestern gefragt.
Heute ist mir in meiner weisen Phase eingefallen, das ich niemals fertig sein möchte.

Rado und ich haben eine ganze Menge und noch viel mehr mit der GUTDING-Gründung zu tun. Sie zieht alle unsere Aufmerksamkeit auf sich, sie zert und zupft an mir und zwischenzeitlich, muss ich gestehen, habe ich auch mal am Verzweiflungs-Abgrund gestanden. Da hab ich hinunter geschaut und da wurde mir ganz schwindelig. Dann wieder berühren mich die schönen Momente und Begegnungen die ich durch GUTDING erleben darf. Die vielen Verkostungen sind ansträngend, ja, aber sie sind auch sehr berührend, denn dann bekomme ich auch oft direkt die Komplimente um die Ohren. Dann denke ich “Das nächste Mal nehme ich ein Diktiergerät mit, dann kann ich Rado die O-Töne vorspielen!” Ich kämpfe manchmalnoch mit den Freuden-Tränen, manchmal lasse ich sie einfach kommen – dann danke ich mir selbst für das-ich-mich-getraut-habe,-meinen-Weg-zu-gehen.

Abseitz vom Um-zu.
Nah am Vertrauen.
Ich lass mich ein.

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8 Gedanken zu „… um zu …“

  1. Agapi, Dein Bericht liest sich gut. “Um-zu” mal die Grenzen weisen zu können: Herzlichen Glückwunsch zu dieser sicher sehr harten Arbeit!!Drücke Euch beiden fest die Daumen, dass es weiter voran geht mit dem GUTDING.
    Liebe Grüße aus HH
    Benita

  2. liebe kerstin, hei, auch ich bin froh von dir zu hören.ich hoffe es geht dir gut und wir sehen uns irgendwann einmal wieder … am 21. märz hab ich eine verkostung in flensburg und am 28. in kiel … vielleicht passt das ja:-)
    herzens-grüße nach schleswig,
    agapi

  3. Danke, Sonja! Ja, Treckerfahren macht große Freude. Frag doch mal Bauer Lutz…Ganz liebe Grüße … auch an Deine Bienen,
    Agapi

  4. Liebe Grüße aus Plönort,der Frühling kommt und der Acker ruft, auch wir sind fleißig draußen am Arbeiten, mit mehr oder weniger erwünschter Unterstützung der Hühner. =)
    Hoffe wir schaffen es euch bald zu besuchen.
    Bis dahin alles Gute
    Kerrin

  5. Oh, wie schön von Dir zu hören! Und, oh, wie schön dass ihr auch so viel draussen seit … ja, die Hühner gibt es hier auch, nur haben sie sich noch nicht zu uns ans Haus gewagt – bin also noch ungestört:-) Ja, auf ganz bald, wir freuen uns auf Euch, Agapi

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