Oh, Frühling!

Sobald ich im Ansatz an Allem was ich angezettelt habe zweifle, kommt mir der penetrante Satz “Du hast es so gewollt!” in den Sinn. Ja, ich wollte Wandel, hab den Mut an Tag gelegt, meinem Leben einen u-turn zu verpassen und stehe jetzt glücklich im Leben …
… und dennoch, es kommen und gehen die Zweifel. Sie sind meine konstantesten Besucher. Sie kommen strahlend und bringen Kuchen mit, weil sie bleiben wollen und sie fordern von mir, dass ich den Kaffee koche. Dann setzen sie sich übergriffig auf meinen Lieblingssessel und penetrieren mich mit ihren Geschichten. Mir schnürt es den Hals ab und der Druck des Schnürens geht dann an mir runter und verteilt sich über meinen gesamten Brustbereich.

SCHÜTTEL!

Dabei ist alles am werden.
Unser GUTDING kann schon laufen.
Freunde von uns sind ganz spontan nach Neverstaven gezogen, als gegenüber im damaligen Arbeiterdorf von Neverstaven eine Wohnung frei wurde.
Jetzt kann ich jeder Zeit rüber gehen und bei Paula andocken. Das tut so gut. Und, was auch gut tut, Paula und Jörg wollen Rado und mir unter die Arme greifen. Sie wollen GUTDING unterstützen und tuen es auch schon ganz kräftig. DANKE Paula! DANKE Jörg!

GUTDING wächst und gedeiht.
Es braucht dringend sein eigenes Zimmer. Rado und ich hatten schon so viele Gespräche zum Thema “Wie weiter?” Erst wollten wir mit GUTDING die alte Gutsküche beziehen, das ging nicht. Dann wollten wir ein Provisorium auf einer, auf dem Gutsgelände befindenden Betonplatte errichten, das ging nicht. Okay, wieso dann nicht gleich neu bauen? Lass uns wieder einmal mutig sein und groß denken.

In der nächsten Denk-Etappe waren wir dann bei einer neuen Produktionsstätte, auf der Fläche wo einst ein Kuhstall stand. Inmitten der Gutsmauern. Das darüber denken hat einiges an Ich-möchte-bitte-angeschaut-und-beachtet-werden-Punkte hervorgebracht. Sie zu bewegen und ernst zu nehmen brauchte seine Zeit. Bis alle im gleichen Boot saßen, alles geklärt werden konnte, sind schwupp die wupp Monate vergangen.

Was ist aber, wenn GUTDING nachher das friedlich-idyllische Gutsgelände mit seiner wachsenden Betriebsamkeit nervt. In einem Traum sah ich Menschen in Staubwolken leben, die jene LKWs aufwirbelten, die uns die mehr werdenden Weckgläschen bringen. Es ist verzwickt. Jetzt sitzen wir im selben Boot und sind verunsichert, ob der Richtung, in die wir paddeln wollen.

Zum Glück kam uns vor einem Monat noch eine Idee, auf der wir seither rum kauen, wie ein Baby auf einem Beissring. Wie jede Idee, stellt sie uns wieder vor neue Ich-möchte-bitte-angeschaut-und-beachtet-werden-Punkte.

Seit der Biofach im Februar stehen auch schon ganz viele neue Bioläden vor der Tür, die unser GUTDING lieben und haben wollen. Ich freu mich so sehr über den Andrang an Habenwollen und fühle gleichzeitig Überforderung und die Sorge, um unsere Kräfte.

Dieses Beides, Erfolg haben und in der Enge stecken, mürbt mich. Wir sind erfolgreich, könnten in die Vollen gehen, doch die Entscheidungen und Gesetzeslage sind Herausforderung, die angeschaut und durchlebt werden wollen. Wehe, wir machen jetzt einen Fehler!

Ein bisschen erinnert es mich an den Moment vorm Standesamt. Da hab ich Rado noch schnell die Frage gestellt “Ich bin eine Frau, die es liebt, sich weiter zu entwickeln. Bist Du Willens, Dich mit mir zusammen weiter zu entwickeln?” Rados “Schaun wir mal!” hätte mich beinahe die Hochzeit absagen lassen.

Mich strapazieren Schwebezustände immer noch, dabei könnte ich aus allen, die mir bisher in die Quere gekommen sind und sich dann doch wieder in Wohlgefallen aufgelöst haben, gelernt haben. Okay, ein bisschen hab ich gelernt, es gelingt mir schön öfter, die Grummel- und Zweifel-Monster nicht in meinem Lieblingssessel sitzen zu lassen. Doch wenn sie an der Türe klingeln und ich den Kuchen rieche, berührt es mich hin und wieder stark bis stark-stark.

Dann wird mir schwindelig, dann bekomme ich einen Grummel-Bauch und manchmal auch fluffige Knie. Dann bin ich auch nicht mehr in der Lage Akquise-Telefonate für GUTDING zu machen. Dann hilft mir nur In-Garten-gehen. Das in-der-Erde-arbeiten beruhigt mich, dass ist meine Art der Meditation. Dann bin ich umgeben von Frieden, dass ich mich beruhige, die Gedanken kommen und gehen lasse bis ich leer-denke. Okay, ich bin dann lange im Garten und es braucht auch echt lange, bis ich mit dem Tanz von Schön-selbstreflektieren und Meinen-Kopf-zermatern durch bin. Ich gebe es zu! Und an manchen Tagen sitzt der Zweifel auch tief und kann nur durch die körperliche Erschöpfung im Schlaf zur Ruhe gebracht werden. Aber dafür ist der Garten auch gut. Ich arbeite mich dann müde.

Oh Frühling, Ich bin Dir so dankbar, dass Du verbindlich wieder kommst und mich mit Deinem unbekümmert-frischen grün beglückst und motivierst an mich zu glauben. Und Du, Sommer, Dir bin ich auch dankbar, Du bist so satt und voll. Ihr beide helft mir sehr! DANKE, dass es Euch gibt! Ihr seid meine Vorbilder. Denn Ihr seid! Euch bringt nichts aus der Ruhe. Nichts verunsichert Euch! Ihr habt Euch bestimmt schon dran gewöhnt, das Ihr ablöst werdet und manche Menschen in Deiner Präsenz, lieber Frühling schon von Sommer spricht. Das kann Dich nicht verletzen, denn Du bist! Keiner kann Dich übersehen, alle müssen an Dir vorbei, selbst das eiskälteste Menschenherz wird unbekümmert-leicht, wenn es Durch-Dich-sich-fühlt. Oh Frühling, ich will so sein wie Du!

Wenn ich Frühling wäre, würde ich lächeln und mich seelenruhig zurücklehnen. Selbst wenn die Zweifel klingeln. Ich würde dasitzen in meiner Kraft und nehmen was kommen will – unbeirrt in die Zukunft blicken. Egal, was mir vor den Bug kommt. Weil ich bin!

Dann wüsste ich, dass Rado und ich für unser GUTDING bald ein Plätzchen finden. Ein Plätzchen in Neverstaven, an dem wir eine Produktionsstätte bauen können. Dann wüsste ich, dass die Großküche in der unter der Woche Bio-Kindergarten-Essen gekocht wird und in der wir dankbarer Weise an den Wochenenden immer hinein dürfen, zwar langsam für GUTDING aus allen Nähten platzt. Aber dann wüsste ich auch, dass das für irgendetwas gut ist, dass wir noch etwas inne halten müssen. Dann wüsste ich, dass jenes wöchendliche An-all-die-Dinge-denken, die wir in der Hamburger Großküche brauchen, eine logistische Meisterleistung ist und für was gut ist. Ja, dann wäre alles für was gut. Selbst, dass wir die Gläschen jede Woche neu bestellen müssen, weil unsere Garage, die wir auf dem Gelände gemietet haben, nur Platz für zwei Paletten hat. Die Garage ist bis obenhin gestapelt mit Hilfsmitteln, die wir für die GUTDING-Produktion brauchen. Sie ist voll bis oben hin mit Edestahl Wägelchen, Siebbehältern, Klammern, Gummiringe, Abfüll-Maschinchen, selbstkonstruierten Edelstahl-Tabletts für die Gläschen und Uschi, unsere kleine Karton-Zumach-Maschine. Die Palette mit unglaublich viel Cashew-Bruch haben wir uns schon nach Hause liefern lassen. Und auch die Verpackungsmaterialen stehen bei uns. Was solls, ich bin Frühling, ich leben jetzt inmitten von Cashew und Verpackungsmaterial und Salz-Säcken. Und der Messestand steht im Flur, was solls. Ich bin Frühling, ich weiß, das nach mir der Sommer kommt und dann der Herbst, der Winder … aber dann auch wieder ich, der Frühling!

Ja, wenn ich mich in diese Energie und das Selbstverständnis hineinversetze, dass ich ich bin und das mich nichts aus der Ruhe bringen kann, dann kann ich nur vertrauen.

Oh, Frühling, ich freu mich, Dich kennen gelernt zu haben und Danke Dir von Herzen, dass Du verlässlich bist!

2 Gedanken zu „Oh, Frühling!“

  1. lieber chris,unser treffen war wirklich besonders.
    ich werde es schön in meinem schatzkästchen herz bewahren und mich daran erfreuen.
    ja, ich glaube an gut eingefädelte begegnungen – so ist mein leben doch schon die merkwürdigsten schlenker gelaufen und hinterher wusste ich warum.

    herzensgrüße,
    agapi

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